"VOLKSGEIST" UND "NATIONALCHARAKTER";
Über ideengeschichtliche Bedingungen sozialer Konstruktionen

Der Prozess der Konstruktion metaphysischer Entitäten hat in und im Umkreis der Moderne in Zentraleuropa Hochkonjunktur. Neben dem Szientismus und dessen ontologischer und metaphysischer Enthaltsamkeit florieren in Mitteleuropa um die Jahrhundertwende sogenannte irrationale Tendenzen; oft neben und in scharfem Kontrast zu jenem strengen Forschungsideal, charakteristischerweise aber auch als integrierter Bestandteil des Szientismus, wenn auch in aufgeweichter oder erweiterter Form desselben.

Die sogenannte "moderne" Befindlichkeit - wie immer man sie charakterisiert, "Gründungsgeist", "Dekadenz", "Aufbruch", "Krisenbewusstsein" - wird vielfach im Raum zwischen diesen Polen angesiedelt oder gerade als Ausdruck des Zwiespaltes dieser Pole selbst betrachtet: Radikale Ontologie-Askese und Metaphysikfeindlichkeit einerseits, metaphysischer Wildwuchs, Seelenabgründe, Ideologiebereitschaft andererseits. Das thematische Zentrum dieses Projekts bildet eine kritische Rekonstruktion von Verdinglichungstendenzen durch Denker, die, abseits der Wissenschaftsphilosophie des Positivismus, Welten setzten, hinter der Welt.

Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf Tendenzen zur Hypostasierung überindividueller Subjekte, mit besonderer Berücksichtigung der Begriffe "Volksgeist" und "Nationalcharakter" in Zentraleuropa um die Jahrhundertwende. In einer differenzierenden Analyse soll die Vielgestaltigkeit des Verhältnisses von sozialem Kontext - Ontologie - Ideologie anhand exemplarischer Figuren in Österreich-Ungarn und im süddeutschen Raum rekonstruiert werden. Im Anschluss an den historischen Teil werden meta-theoretische Problemstellungen systematisch erörtert und die methodologische Herausforderung des historischen Rekonstruktionsprozesses im Spannungsfeld zwischen Moderne und Postmoderne thematisiert.

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